Ein Familientreffen der ganz besonderen Art
Es ist Juni.
Es ist Zugspitze.
Es ist Zeit für all die vielen positiv verrückten lieben Menschen.
Fast ausnahmslos alle sind sie in diesem Jahr dem Ruf des höchsten Berges Deutschlands gefolgt, frei nach Tolkien, den einen zu umrunden, sie zu knechten, sie alle zu finden, in Schmerzen zu treiben und ewig zu binden.
Doch fangen wir vorne an: Juchuuu, die Berglaufsaison ist endlich eröffnet!
Um alles voll auszukosten ging es bereits Donnerstag früh morgens per Flieger und Leihwagen über München nach Grainau.Wir wurden mit 34 Grad und strahlendem Sonnenschein empfangen.
Also nur kurz ins Hotel eingecheckt, umgezogen, Rucksack auf, schnell ein Ticket für die Kreuzeckbahn gelöst und ab nach oben zur Streckenbesichtigung des „letzten Bergs“ des Zugspitz Ultratrails.
Oben angekommen, konnte man das Bergpanorama bei Sichtweiten bis 100KM fantastisch genießen!
Zu Fuß ging es zur Hochalm und weiter bis auf den Osterfelderkopf.
Zur Verwunderung stellen wir fest: Wo hier noch vor wenigen Wochen hüfthoher Schnee lag, ist endlich alles frei!
Ein Blick vom Alpspix ins Höllental zeigt nur noch Schnee ganz oben im Bereich der ganz hohen Lagen. Gute Voraussetzungen für den Ultratrail am Samstag!

550 Höhenmeter Wandern und Besichtigung der Strecke – da hat man sich das Carboloading bei Pasta mit Rahmschwammerln redlich verdient. Und dazu gibt’s ein Almdudler… wie sich das gehört!
Weiter geht unsere Tour kurz in Richtung Gipfel, bevor wir eine Rast auf der Bergstation machen. Endlich in den Bergen angekommen!
Wir entschließen uns, die Wettkampfstrecke zu verlassen und biegen auf den Längenfelder ab, um von dort aus zurück zum Kreuzeck zu wandern und müssen uns bremsen, nicht schon jetzt in einen Laufschritt zu verfallen.
Downhill-Rennen können wir schließlich in zwei Tagen noch genug und die 550 positiven Höhenmeter für heute reichen so kurz vor dem Wettkampf wahrlich auch.
Also geht es mit der Bergbahn wieder runter ins Tal, duschen, umziehen und weiter ins Gasthaus, wo wir uns mit vielen lieben Leuten Treffen wollen. Gott sei Dank bestellen wir unser Essen noch vor 9 Uhr (kleiner Insider) und ein erster toller Tag geht mit einer kurzen Nachtwanderung zu Ende.
Doch der Zweite folgt so gleich.
Heute ist relaxen angesagt.
Und shoppen.
Und Startnummern abholen.
In diesem Jahr bilden Sanne und ich, wie auch schon im letzten Jahr in Sankt Wendel bei „Keep on Running“ das Team „Trailmoppelz“.
Sanne auf der Strecke des Basetrail und ich beim Supertrail.
Spaß muss sein 😉
Nachdem so nach und nach immer mehr bekannte Gesichter in Grainau eintrudeln, entwickelt sich das Ganze zu einem riesengroßen „Dauer-Hallo“. Wow, wie schön, endlich mal wieder alle auf einem Fleck zu treffen!
Nun stehen die obligatorische Pastaparty und das Streckenbriefing auf dem Programm, bei dem wir die letzten Infos für morgen erhalten. Kiloweise werden Nudeln, Salate und Kuchen verputzt.
Immer wieder erstaunlich, was Ultraläufer so alles verdrücken können.
Der Rest des Tages geht für Rucksack packen und Pflichtausrüstung verstauen drauf. Denn die wird hier immer ganz besonders genau kontrolliert.
Gute Nacht. Bis morgäääähn.
Tag 3. Action. Racetime.
Ein Kribbeln macht sich breit.
Endlich geht es los.
Das Wetter hat sich deutlich abgekühlt, der Himmel ist Wolken verhangen. Eigentlich ganz gute Bedingungen zum Laufen.
Fahrt zum Start nach Leutasch.
Check In. Countdown.
Highway to Hell dröhnt aus den Lautsprecherboxen. Startschuss.
Alles geht auf einmal schnell und ehe ich mich versehe bin ich mitten im Rennen.
Nur nicht wieder zu schnell angehen lassen und erst einmal die ersten noch recht flachen 8 Kilometer nutzen, um mich einzugrooven. Und schon geht es rauf zur Hämmermoosalm, dort fülle ich in Ruhe meinen Trinkrucksack und esse etwas Obst.
Auch in diesem Jahr ist die Verpflegung auf der Strecke wieder klasse.
Dann weiter zum Scharnitzjoch. Hier oben pfeift der Wind ziemlich kalt und man sieht zwischenzeitlich vor lauter Nebel die eigene Hand vor Augen kaum noch. Es nieselt.
Oben angekommen habe ich dennoch ein breites Grinsen im Gesicht. Mein erstes Ziel für heute habe ich erreicht. „Mich wesentlich besser fühlen als im letzten Jahr“, als es mir an gleicher Stelle von Krämpfen geschüttelt wirklich mies ging. Dagegen bin ich heute das „blühende Leben“.
Daher lasse ich es jetzt auf der anderen Seite des Bergs im Downhill erst einmal so richtig krachen. Das hatte ich mir schon letztes Jahr so sehr gewünscht und ich habe Nachholbedarf! Mehrmals setze ich mich auf Schneefeldern kräftig auf den Hintern doch das ist mir egal.
Volldampf. Bremse los. Tal abwärts.
Shredderei am absoluten Limit.
Ich überhole im unteren Teil einen Läufer nach dem anderen und vergesse alles andere um mich herum.
Leider auch meine Vernunft, das Trinken und mir meine Kraft richtig einzuteilen.
Dämlich, hier liegen nämlich noch rund 50 Kilometer vor mir.
Aber dafür hab ich jede Menge Spaß „in den Backen“ 😉 Doch das rächt sich.
In einem Waldstück steht da plötzlich das „Trailschnittchen“ Julia Böttger und feuert mich an, fragt mich wie ich mich fühle.
„Alles super“ … gelogen.
Hinter der nächsten Ecke fange ich plötzlich an zu taumeln, mir ist kotzübel. Ich hab es übertrieben. Erstmal hinsetzen. Ein halber Liter Wasser, Mineralien und ein Gel bringen mich wieder auf die Beine. Gel – jetzt schon – Mist. Aber egal. Nach nur 5 Minuten habe ich mich wieder gefangen und ich werde wieder locker, erreiche den Hubertushof und trinke und esse erst mal ordentlich. Dort sind auch viele liebe Bekannte. Detlef muntert mich auf. Tanja, die ich im Downhill noch locker überholt habe, ist inzwischen schon wieder weiter gelaufen. Also mache ich mich ebenfalls auf den Weg.
Nun folgt das von fast allen Läufern gehasste flache Teilstück zur Geisterklamm und weiter zum Ferchensee.
Ich laufe komplett durch und freue mich, wie gut es mir wieder geht.
Auf einmal kommen von hinten ein Läufer und ein Fahrradfahrer vorbei.
Das wird doch nicht… doch, das isser! Philipp „Zauberlehrling“ Reiter kommt an mir locker vorbei geflogen.
Geiler Laufstil! Super Philipp!
Philipp wird den Ultra auf der 100 Kilometer Distanz später ziemlich souverän gewinnen.
Auch für mich geht es jetzt gut weiter. Ich fühle mich durchweg gut und kann das Rennen in diesem Jahr voll genießen.
Auch wenn der Weg durch die Partnachklamm echt ganz schön heftig ist.
Erst der steile Downhill von Mittenwald runter zum Wasser, dann über Treppen und Brücken auf der anderen Seite wieder nach oben. Der Kälbersteig ist immer wieder „Starker Tobak“.
Unten lerne ich auch Dirk kennen, der mir mit Salztabletten weiter hilft. Ich hatte zwar in diesem Jahr keine Krämpfe und keine Probleme. Durch meine Aktion am Scharnitzjoch aber früh viele Mineralien verloren und meine eigenen Reserven aufgebraucht.
Nochmals einen ganz lieben Dank an dich Dirk!
Und dann kam er auch schon, der lange Aufstieg hoch zum Kreuzeck. Auch hier bin ich in diesem Jahr wesentlich lockerer hoch gekommen, als im Jahr zuvor. Auch wenn hier sicherlich noch das größte Potenzial für eine zeitliche Verbesserung in der Zukunft bleibt. Solche steilen Aufstiege von solcher Länge am Stück kann man im „Flachland“ zu Hause einfach nicht richtig trainieren. Dennoch bin ich bald oben und höre schon die gute Stimmung vom nächsten Verpflegungspunkt. Jeder einzelne Läufer, der den Anstieg hinter sich lässt wird hier frenetisch bejubelt und angefeuert. Gänsehaut läuft mir den Rücken runter.

Leider blieb uns die herrliche Aussicht vom Osterfelderkopf während des Rennens auf Grund des dichten Nebels verwehrt… gut, dass wir zwei Tage vorher schon mal oben waren 😉
Kurze Pause und dann weiter zur „Ehrenrunde“ zum Osterfelderkopf und zurück zum Kreuzeck. Die Runde kenne ich ja noch von vorgestern, auch wenn das Wetter heute wesentlich schlechter ist. Zwischenzeitlich sieht man auch hier die Hand vor Augen kaum, geschweige denn das unglaubliche Bergpanorama, das man sonst hier hat.
Zurück am Kreuzeck noch eine letzte kurze Pause und dann geht es auch schon auf den finalen Downhill über den Jägersteig in Richtung Ziel in Grainau.
Hier wird es noch einmal richtig steil, glatt und technisch – Genau das, was ich am liebsten mache und am besten kann!
Ich habe noch genug Körner und überhole auf den letzten Kilometern noch einmal rund 20 Läufer, darunter auch einige von der Ultratrailstrecke, die mich zuvor überholt hatten.
Rock’n Roll – I’m loving it!
Als mich der Berg im Tal ausspuckt und ich nach Grainau einlaufe sind es noch etwas mehr als 2 Kilometer und ich gebe noch mal alles.
Der Ort fliegt nur so an mir vorbei.
Überall winken und rufen mir die Leute aus den Gärten und Fenstern zu. Kinder klatschen ab. Volksfeststimmung.
Der Zieleinlauf beim Zugspitz-Ultratrail ist gerade am Abend immer wieder etwas ganz besonderes!
Und dann komme ich rein.
Ich höre verschwommen, wie der Sprecher meinen Namen ruft und da wartet auch schon Sanne, die ihre Berglaufpremiere mit dem gefinishten Basetrail mit Bravour bestanden hat. Carsten, Sebastian, Sandra, Marc und all die anderen sind auch da und wir fallen uns in die Arme. Detlef, der auf der Strecke schon das ein oder andere coole Pic gemacht hat, gibt den rasenden Reporter.
Dank meines Schlussspurts bin ich genau eine Stunde schneller im Ziel, als im letzten Jahr. Man ist das ein geiles Gefühl!
Darf ich noch mal… ach nee, lieber erstmal ein kühles Bier!
Der Tag danach. Klar die Knochen tun weh, aber ich bin immer noch total geflasht.
Ich kann gar nicht oft genug sagen, wie sehr ich es in diesem Jahr genossen habe.
Bei der Abschlussveranstaltung und der Siegerehrung treffen wir uns alle noch einmal wieder und es ist jetzt noch herzlicher als am Vorabend des Starts.
Schade, dass bald schon wieder alles vorbei ist.
Nach dem Checkout aus dem Hotel lassen wir das Wochenende noch einmal richtig lustig mit einer tollen Truppe auf der Eibseealm ausklingen, genießen Kaiserschmarren und Co und haben noch einmal einen richtig lustigen Abschlusstag!
Der Zugspitz-Ultratrail ist eben mehr, als „nur“ ein Wettkampf auf richtig anspruchsvollen Bergtrails, es ist immer wieder ein Familientreffen der ganz besonderen Art!
Und deswegen möchte ich zum Schluss noch einmal ein ganz herzliches Dankeschön loswerden! Danke an euch alle, dass ihr so seid, wie ihr seid und unseren Sport einzigartig lebt und ihn damit zu etwas ganz Besonderem macht. Danke auch an die unzähligen Helfer, ohne die eine solche Veranstaltung nicht möglich wäre, das Event war wie immer super organisiert, die Verpflegung war top, die Bergwacht und die Mädels und Jungs an den Verpflegungsposten super hilfsbereit. Vielen lieben Dank!
Da läuft man 60,70 oder mehr km durch die Alpen, hat Tiefs durchgemacht, hat sich gequält, ist nass geworden,……und? fragt man sich wofür? warum? NEIN. Weil wir es wissen. Und den letzten Absatz kann ich doppelt unterstreichen.
Ich will da wieder hin
Ja Carsten, Recht hast du… lass es uns einfach tun 🙂
Pingback: 24.05.13 – 30.06.13 – Endlich wieder Berge | tom doerner – ultratrailrunning
Tja, wenn man diesen Bericht liest, dann weiß man, dass man etwas verpasst hat. Andererseits wäre unser Lauf in Andorra auch schön gewesen, wenn da nicht diese Viren gewesen wären, die eindeutig gegen das Laufen eingestellt waren.
Die Zugspitz-Umrundung muss also unbedingt auch auf meine Agenda, ganz bestimmt in 2014, das Auslaufen nach der TTdR 230 also …
Auch nicht schlecht 🙂 Nach 230 Kilometern Asphalt, relativ flach, zumindest in der zweiten Hälfte, wird das bestimmt eine gelungene Abwechslung. Andorra klingt interessant…
Bist fleissig gewesen Tom. Sowohl beim Laufen als auch beim Schreiben.
Bin die Strecke gerade auch noch mal gedanklich nachgelaufen ! (-:
Danke dir. Ich würde die Strecke jederzeit auch sofort wieder laufen…auch physisch 🙂 Ich hoffe, ich komm bald wieder hin…
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